
Das Flair für Kunst und den Kunsthandel ist Régine Giroud in die Wiege gelegt worden. Vor 40 Jahren hat sie eine Firma gegründet und ihre Kundschaft mit originalen Schmuckstücken aus den Epochen Art Déco, Belle Époque, Jugendstil und dem 19.
Jahrhundert bedient. Nun hat sie das Pensionsalter erreicht und gleichzeitig den perfekten Nachfolger gefunden.
„Nach 40 glücklichen Jahren habe ich mein Lebenswerk in neue, junge Hände weitergegeben“, schrieb Régine Giroud in einer Mitteilung zur Geschäftsübergabe, die Mitte vergangenen Jahres stattgefunden hat. Dabei handelt es sich um eine Nachfolgegeschichte mit einem Happy End, das nicht schöner hätte sein können. „Es ist eine absolute Win-Win-Situation, nicht nur für meinen Nachfolger und für mich, sondern auch für meine beiden langjährigen Mitarbeiterinnen, die ihre Stellen behalten können, sowie für die treue Kundschaft, die im ähnlichen Stil weiterbedient wird“, sagt Régine Giroud.
Reto Schmidlin heisst der neue Inhaber und Geschäftsführer von Régine Giroud Juwelen an der Adresse In Gassen 6, einer exklusiven Seitengasse der Zürcher Bahnhofstrasse. Für den 39-Jährigen ist mit dieser Übergabe ein Traum in Erfüllung gegangen. „Ich bin überglücklich mit der neuen Herausforderung“, so Schmidlin, „und Régine Giroud bin ich dankbar, dass sie mich berücksichtigt hat.“
Kunst im Blut
Auch wenn man ihr das nicht ansieht, im Juli durfte Régine Giroud ihren 64. Geburtstag feiern. Vor 40 Jahren hat sie die Firma gegründet und damit den Weg ihrer Berufung als Antikschmuck-Händlerin geebnet. Kunstvoller Schmuck aus früheren Epochen gehören zu ihrer grossen Passion. Sie scheint Kunst im Blut zu haben, denn schon ihre Mutter, Felicitas Nussbaumer, hat an der Gerechtigkeitsgasse mitten in Bern in ihrem Geschäft „Felicitas Antiquitäten“ mit Kunst gehandelt. Sie hatte sich unter anderem auf Berner Barockmöbel, antike Spiegel und Kristallleuchter, Gemälde sowie Silberwaren spezialisiert. Als Kind hat Régine Giroud viel Zeit in Mutters Geschäft verbracht. Am meisten faszinierte sie dort die kleine Vitrine mit antiken Schmuckstücken. „Diesen Schmuck habe ich immer wieder probiert und damit gespielt“, erinnert sie sich. „Ich war oft dabei, wenn meine Mutter neue Stücke ankaufte. Eines Tages wusste ich, das will ich auch mal machen.“
Art-Déco-Smaragd-Diamant-Ohrhänger mit
kolumbianischen Smaragden und Diamanten.
Von Angang an erfolgreich
Régine Giroud absolvierte die Kunstgewerbeschule und liess sich zur Gemmologin ausbilden. 1984 gründete sie die Einzelfirma „Régine Giroud Juwelen“ und richtete sich vorerst im Ladenlokal ihrer Mutter ein. Vor 19 Jahren zog sie nach einem Zwischenstopp in Luzern ins Zentrum von Zürich. „Da ich jahrelang an der Zürcher Kunst- und Antiquitätenmesse ausgestellt hatte, und mir so eine treue Kundschaft aufbauen konnte, dachte ich, dass Zürich mit dem grossen Einzugsgebiet der richtige
Standort für meine Nischenprodukte sein könnte“, sagt sie. Dies war auch der Zeitpunkt, als sie eine Aktiengesellschaft gegründet hat. „Mit grosser Passion habe ich mich an den Aufbau des Geschäfts in Zürich gemacht. Dieses Fieber haben die Kunden und Interessenten wohl gespürt, denn ich darf sagen, dass es von Anfang an gut gelaufen ist.“
Schon einige Zeit vor ihrer Pensionierung hat sie sich über eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger Gedanken gemacht. „Meine Tochter hat einen anderen Weg eingeschlagen. Also habe ich mir überlegt, wer denn die richtige Person für mein etabliertes Geschäft sein könnte“, sagt die inzwischen dreifache Grossmutter. „Da ist mir Reto Schmidlin in den Sinn gekommen. Wir kannten uns schon eine Weile. Mich erfreute der Gedanke, dass er als Gemmologe und Schmuckliebhaber der nächsten Generation dafür sorgen könnte, dass dieser Branchenzweig weitergeführt wird.“
Jugendstil-Collier mit Aquamarin,
Diamanten und Fensteremaille.
Das ganze Sackgeld
Auch Reto Schmidlin hat schon als Kind gewusst, in welche Richtung seine berufliche Reise gehen soll. Als kleiner Bub habe er Kieselsteine und später Mineralien gesammelt. „Eine Zeitlang habe ich mein ganzes Sackgeld in Mineralien investiert“, erinnert sich der gebürtige Zuger. Nach dem Gymnasium und einem Sprachaufenthalt in den USA absolvierte er in Idar-Oberstein und am GIA in Amerika ein Studium der Gemmologie. Zurück in der Heimat, übernahm er bei Edigem eine Anstellung als Schmuckfachmann. Erst arbeitete er 13 Jahre lang am Hauptsitz in Luzern und dann in Zürich. Die letzten zwei Jahre leitete er die Schmuckabteilung von Koller Auktionen – bis Régine Giroud ihn kontaktierte. Schon beim ersten Treffen bekundete Schmidlin sein Interesse. Dass sie sich aber so schnell einig würden, hätte er nicht gedacht.
Art-Déco-Rubin-Diamant-Anhänger und
ein signiertes Bracelet mit unbehandelten
Burma-Rubinen von Black, Starr & Frost.
Nach Vereinbarung
Neben den antiken Schmuckstücken und hochwertigen Juwelen habe ihn auch die Selbstständigkeit gereizt. Die Geschäftsübergabe fand am 1. Juli statt. Bis Ende Jahr arbeitete Régine Giroud in einem Teilzeitpensum von 40 Prozent weiter, seither darf der frischgebackene Geschäftsmann an Kundenanlässen, anderen Events und nach Vereinbarung mit ihrem Einsatz rechnen.
„Ich bin glücklich, dass alles so gekommen ist“, sagt Régine Giroud. „Reto Schmidlin ist genau die richtige Person für das Geschäft: Kompetent und voller Leidenschaft. Das war in jeder Hinsicht eine erfolgreiche Geschäftsübergabe.“ Schmidlin will das Geschäft in weiten Bereichen in Girouds Sinne weiterführen. Das heisst im Scheinwerferlicht stehen antike Preziosen, unbehandelte Edelsteine, Vintage-Schmuckstücke, signierter Schmuck, beispielsweise von Cartier, Van Cleef & Arpels oder Boucheron, sowie der Ankauf von antikem Schmuck. Daniela Bellandi